Konsolidierung der IT-Unternehmen dank Digitalisierung?
Die Konsolidierung des Schweizer IT-Markts hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Dieser markante Anstieg an Unternehmenstransaktionen zeigt sich auch innerhalb diverser Studien wie zum Beispiel von Deloitte*, welche eine signifikante Zunahme der Merger & Acquisitions (M&A)-Aktivitäten unter anderem bei klein- und mittelständischen Unternehmen im IT-Bereich belegen. Doch weshalb werden zurzeit vermehrt Unternehmenstransaktionen im IT-Sektor vollzogen?
Die Gründe, die zu einer vermehrten Marktkonsolidierung im IT-Sektor führen, sind sehr vielfältig, jedoch lassen sich einige dominante Treiber herausschälen. Die folgenden Faktoren spielen eine zentrale Rolle und beeinflussen die M&A-Aktivitäten in der Schweiz – aber auch weltweit.
Attraktivität der Branche
Der IT-Sektor ist momentan der attraktivste und dynamischste aller M&A-Märkte mit besten Erfolgsaussichten für die beteiligten Parteien. Unternehmen aller Branchen sehen sich heute faktisch gezwungen, vermehrt in digitale Technologien und Lösungen zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder ihre Innovationskraft weiter zu steigern. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage einerseits nach IT-Dienstleistungen, andererseits aber auch nach IT-Unternehmen, welche sich durch die gesteigerten Erfolgszahlen zu attraktiven Übernahmekandidaten entwickelt haben. Dies hat wiederum einen Einfluss auf die Kaufpreisentwicklung dieser Unter- nehmen, was zu steigenden Rekord-Multiples (Wert eines vergleichbaren Unternehmens dividiert durch eine Bezugsgrösse dieses Unternehmens, meist auf Stufe EBITDA) führt.
In der Schweizer IT-Branche zeichnet sich eine anhaltende Phase der Marktkonsolidierung ab, die die hiesigen IT-Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellt und die Fragen nach den Gründen für diese Entwicklung aufwirft.
Disruptive Technologien und Fear of Missing Out
Ferner hat die Digitalisierung den Aufstieg disruptiver Technologien wie künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen, Blockchain und dem Internet der Dinge (IoT) ermöglicht und gefördert. Diese Technologien haben das Potenzial, ganze Branchen zu verändern und neue Geschäftsmodelle hervorzubringen. Dieser Umstand, dass sich ganze Branchen aufgrund von disruptiven Technologien in nur wenigen Jahren komplett verändern können, zwingt Unternehmen konstant zu prüfen, ob ihr angestammtes Geschäftsmodell künftig noch den Anforderungen des Markts entspricht. Im Zweifelsfall werden neue Geschäftsfelder und spezifische digitale Kompetenzen besser zu früh als zu spät durch den Zukauf eines Start-ups oder eines innovativen KMU erschlossen.
One-Stop-Shop
Der Trend zur Marktkonsolidierung lässt sich zu Teilen auch durch sich verändernde Kundenbedürfnisse sowie durch Regulierungen (oder auch Selbstregulierungen wie zum Beispiel ISO-Zertifizierungen) begründen. Kunden möchten vermehrt mit IT-Anbietern zusammenarbeiten, welche auf breiterer Ebene als eine Art One-Stop- Shop alle Bedürfnisse vollständig abdecken können. Dieser Vorgang befeuert wiederum die Konsolidierung innerhalb der IT-Branche, da einerseits etablierte IT-Dienstleister vermehrt kleinere Spezialanbieter aufkaufen, damit das Dienstleistungsspektrum möglichst umfassend angeboten werden kann, andererseits sehen sich gewisse Spezialanbieter in der mühseligen Situation, dass sie die Kundenbedürfnisse nur noch partiell abdecken können, was den Vertrieb erschwert und die Unternehmen für M&A-Optionen empfänglicher macht.
Fachkräftemangel
Betrachtet man beispielsweise den wachsenden Markt für Managed Services, so ist festzustellen, dass Unternehmen vermehrt auf externe IT-Dienstleister setzen. Dieser Trend des Outsourcings wird in einem aktuellen Report von MSM Research ebenfalls unterstrichen oder gar als Paradigmenwechsel bezeichnet. Dieser Umstand per se wäre für gewöhnlich keine Begründung für die Konsolidierung des Markts – addiert man jedoch den grassierenden Fachkräftemangel zur Gleichung hinzu, so ergibt sich ein anderes Gesamtbild: Für viele IT-Dienstleister liegt der wirtschaftliche Flaschenhals zurzeit nicht im Vertrieb der eigenen Dienstleistungen, sondern bei der Gewinnung von geeigneten Fachspezialisten. In diesen Zeiten des Fachkräftemangels ist ein Zukauf eines Unternehmens (natürlich inklusive Mitarbeitenden) eine beliebte und effektive Strategie, um das Personalproblem zu entschärfen.
Akquisition eines IT-Unternehmens
So oder so: Der Zukauf eines IT-Unternehmens erfordert eine gründliche Planung und exakte Vorbereitung. Es ist wichtig, die jeweiligen strategischen Ziele und Gründe für den Erwerb eines anderen IT-Unternehmens vorab zu definieren. Insbesondere sollte die Akquisition mit der langfristigen Unternehmensstrategie und -struktur in Einklang stehen.
Liegt eine Auswahl geeigneter Targets vor, so müssen die potenziellen Zielunternehmen nach den eigens gesetzten Kriterien und Anforderungen identifiziert und kategorisiert werden. Dabei sollten Kriterien wie beispielsweise Services und Technologie, geografische Ausrichtung, Kundentypen, Mitarbeiterstruktur sowie finanzielle Kennzahlen berücksichtigt werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Transaktion ist die Übereinstimmung (oder die Ergänzung) genannter Kriterien. Aber auch Soft Facts wie Unternehmenskultur, Organisation (Hierarchiestufen) und Lohn-Strukturen haben einen erheblichen Einfluss auf das Gelingen einer Transaktion respektive auf die erfolgreiche Zusammenführung zweier Unternehmen. Der Spruch «Unternehmen verkauft, Mitarbeitende fort» hat in der IT-Branche durchaus seine mahnende Berechtigung. Sind qualifizierte Mitarbeitende mit der Transaktion nicht zufrieden, so können diese gegenwärtig – aufgrund des Fachkräftemangels – meist problemlos wechseln.
Konkludierend kann man festhalten, dass der Erfolg eines Zukaufs von komplexen und mannigfaltigen Faktoren und – leider oftmals über- schätzten – Synergien abhängig ist, und letztlich in einer gesunden Relation zum bezahlten Verkaufspreis stehen sollte. Stimmt dieses Verhältnis optimal, so darf man zu Recht von einer Win- Win-Win-Situation sprechen, wonach Käufer, Verkäufer und Mitarbeitende nach der Transaktion oftmals bessergestellt sind als zuvor.
Verkauf eines IT-Unternehmens
Im Gegensatz zum Unternehmenszukauf ist der Verkauf des eigenen Unternehmens eine deutlich schwierigere und oftmals emotionale Angelegenheit, die ebenfalls gut überlegt und geplant sein will. Jede Unternehmensnachfolge ist einzigartig und erfordert stets eine individuelle Lösung. Umso wichtiger ist eine sogfältige Vorbereitung, die diesem anspruchsvollen Prozess gerecht wird. Eine adäquate Vorbereitung, die bis zu fünf Jahre dauern kann, beinhaltet in der Regel eine Situations- und Risikoanalyse, eine Unternehmensbewertung sowie die Überprüfung der Unternehmensstruktur und der Transaktionsfähigkeit.
Eine aussagekräftige Unternehmensbewertung – basierend auf mehreren quantitativen und qualitativen Bewertungsmethoden – bildet meist die Ausgangslage, um den Verkaufsprozess mit einer klaren Zielvorstellung zu starten. Dahingehend ist es entscheidend, dass die Unternehmensbewertung von einem Experten mit langjähriger Transaktionserfahrung mit IT-Fokus vorgenommen wird, um eine möglichst exakte Beurteilung zu erhalten. Pauschale Bewertungsmethoden, welche leider oftmals branchenagnostisch und ohne zusätzliche Plausibilisierung angewendet werden (z.B. die in der Praxis beliebte Praktikermethode), liefern in- dessen meist nur unzureichende Ergebnisse.
Ferner sind strikte Diskretion und Vertraulichkeit während des gesamten Transaktionsprozesses absolut erfolgskritisch und unabdingbar. Entsprechend müssen Transaktionsprozesse mit einer hohen Professionalität und viel Fingerspitzengefühl angegangen werden. Dank der Digitalisierung, welche im M&A-Sektor ebenfalls Einzug gehalten hat, können Transaktionen heute auch im KMU-Segment mittels geschützter Datenräume (VDR) diskret, vertraulich und effizient abgewickelt werden.
Segen oder Fluch der Marktkonsolidierung
Ob diese Dynamik der Marktkonsolidierung von IT-Unternehmen in der Schweiz – aber auch welt- weit – als Fluch oder Segen für den Markt bezeichnet werden kann, bedarf einer differenzierten Betrachtung und sorgfältigen Abwägung. Es gilt festzuhalten, dass die hohe Transaktionsdynamik in der IT-Branche viele Gewinner hervorbringt. Verkäufer erzielen für ihre Unternehmensanteile rekordverdächtig hohe Verkaufspreise und Käufer können finanziell überdurchschnittlich gesunde Unternehmen übernehmen. Die Praxis untermauert, dass es deutlich zielführender ist, für ein finanziell stabiles Unternehmen etwas mehr zu bezahlen, als ein schlecht funktionierendes Unternehmen zu einem tiefen Schnäppchenpreis zu erwerben. Zu den Gewinnern zählen jedoch auch Mitarbeitende, da sie vergleichsweise gute Einkommen erzielen und über eine hohe Marktmacht (dank Fachkräftemangel) verfügen.
Auch aus der Sicht eines zukaufenden Unternehmens kann die Konsolidierung eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bedeuten. Durch die Zusammenschlüsse können Unternehmen ihre Marktposition ausbauen. Infolgedessen können grössere Projekte abgewickelt, neue Mitarbeitende erschlossen, weitere Kundenstämme erreicht und ein breiteres oder tieferes Dienstleistungsportfolio angeboten werden.
Die Konsolidierung kann aber auch zu kritischen Monopolstellungen führen, die aus Sicht des anbietenden Unternehmens zwar segensreich erscheinen, sich für die Kunden, welche die Dienstleistung nachfragen, jedoch als Fluch erweisen können. Die Marktkonzentration könnte des Weiteren zu einem Mangel an Unternehmensvielfalt, einer Abschwächung der Innovationsdynamik und einem Rückgang an Kreativität in der Schweizer IT-Branche führen. So offenbart sich inmitten der Konsolidierungswelle die Dualität von Fluch und Segen und zeigt, dass die jeweilige Perspektive sehr entscheidend ist, um die Konsolidierung des Schweizer IT-Marktes zu beurteilen. Während die Zusammenschlüsse der Unternehmen vielseitige Chancen eröffnen, darf nicht vergessen werden, dass Vielfalt und Innovation ebenfalls essenzielle Bausteine sowie ein treibender Motor für eine dynamische und gesunde IT-Branche in der Schweiz sind.